Rechtsanwalt und Fachanwalt für ungarisches Arbeitsrecht Dr. Mark Goda spricht im Interview über die Problematik der Begründung und Auflösung von Arbeitsverhältnissen mit Geschäftsführern in Ungarn.
Munkajogportál: Oft stehen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (sog. „Kft.“) in Ungarn bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Geschäftsführer vor der entscheidenden Frage, ob das Arbeitsverhältnis zwischen der Kft. und dem zukünftigen Geschäftsführer auf befristete oder unbefristete Dauer abgeschlossen werden soll. Worauf sollten Arbeitgeber bei der Entscheidungsfindung achten?
Dr. Mark Goda: Das ungarische Arbeitsgesetzbuch beinhaltet keine Vorgaben, wonach Arbeitsverträge mit Geschäftsführern auf befristete oder unbefristete Dauer abzuschließen sind. Folglich fühlen sich viele Arbeitgeber frei die Dauer des Arbeitsverhältnisses unabhängig von der Dauer der gesellschaftsrechtlichen Bestellung zu bestimmen, bzw. kommt es sehr oft vor, dass die Dauer der gesellschaftsrechtlichen Bestellung zum Geschäftsführer und die Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht im Einklang miteinander stehen.
Munkajogportál: Eine gängige Praxis in Ungarn, denn wie Sie schon sagten, die Dauer der gesellschaftsrechtlichen Bestellung zum Geschäftsführer weicht häufig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab. Welche Folgen hat dies eventuell für den Arbeitgeber?
Dr. Mark Goda: Die ungarische Rechtsprechung vertritt einheitlich den Standpunkt, dass Arbeitsverträge mit Geschäftsführern unter Berücksichtigung gesellschaftsrechtlicher Vorgaben grundsätzlich für die Dauer der gesellschaftsrechtlichen Bestellung abgeschlossen werden können. Das bedeutet, dass die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der Dauer der gesellschaftsrechtlichen Bestellung gänzlich übereinstimmen muss. Der Arbeitgeber hat natürlich die Möglichkeit mit dem Geschäftsführer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu begründen, in diesem Fall muss jedoch die gesellschaftsrechtliche Bestellung zum Geschäftsführer ebenfalls auf eine unbefristete Dauer erfolgen. Wird der Geschäftsführer allerdings gesellschaftsrechtlich auf z.B. drei oder gar fünf Jahre bestellt, sollte der Arbeitsvertrag ebenfalls auf diese Dauer befristet werden.
Munkajogportál: Bedeutet das letztendlich, dass die Vertragsparteien keine Möglichkeit haben ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu begründen, wenn die Bestellung zum Geschäftsführer aus gesellschaftsrechtlicher Sicht auf eine befristete Dauer erfolgt?
Dr. Mark Goda: Das ist richtig.
Munkajogportál: Sie meinten doch soeben, dass das ungarische Arbeitsgesetzbuch keine Vorgaben beinhaltet, wonach Arbeitsverträge mit Geschäftsführern auf eine befristete oder unbefristete Dauer abzuschließen sind. Warum muss ein Arbeitgeber darauf achten, dass die Dauer der gesellschaftsrechtlichen Bestellung und des Arbeitsverhältnisses im Einklang stehen?
Dr. Mark Goda: Wird der Geschäftsführer einer Kft. im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt, nimmt dieser eine doppelte rechtliche Position ein. Zum einen ist er als Geschäftsführer im Sinne gesellschaftsrechtlicher Normen ein Organ der von ihm geleiteten Gesellschaft und hat als solches auch gesellschaftsrechtlich definierte Rechte und Pflichten. Zum anderen bestimmt sich die Tätigkeit des Geschäftsführers auch nach seinem Arbeitsvertrag und dem Arbeitsgesetzbuch. Aufgrund dieser doppelten rechtlichen Position vertritt die ungarische Judikatur auch einheitlich den Standpunkt, dass die Dauer beider Rechtsverhältnisse in absolutem Einklang stehen muss.
Munkajogportál: Wo kommt Ihrer Ansicht nach die Problematik zum Vorschein?
Dr. Mark Goda: Die Problematik, die sich aus dieser doppelten rechtlichen Position ergibt, erhält vor allem bei der Auflösung des Rechtsverhältnisses mehr Gewicht. Befristet nämlich der Arbeitgeber die Dauer der gesellschaftsrechtlichen Bestellung zum Geschäftsführer, ist das Arbeitsverhältnis – mit Hinblick auf die ungarische Rechtsprechung – ebenfalls als befristet zu werten.
Oft sehen wir, dass Geschäftsführer von der Gesellschafterversammlung gemäß gesellschaftsrechtlicher Normen auf eine befristete Dauer bestellt werden, obwohl beide Parteien im Arbeitsvertrag festhalten das Arbeitsverhältnis auf eine unbefristete Dauer begründen zu möchten. Die Probleme entstehen allerdings dann bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, denn das ungarische Arbeitsgesetzbuch sieht für die Auflösung eines befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnisses eine differenzierte Vorgehensweise vor. Im Gegensatz zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis kann ein befristetes Arbeitsverhältnis in Ungarn nicht ordentlich gekündigt werden.
Stellen Sie sich die Situation vor, dass Sie als Arbeitgeber Ihrem gesellschaftsrechtlich auf eine befristete Dauer bestellten Geschäftsführer ordentlich kündigen, zumal Sie von seinem unbefristeten Arbeitsvertrag und hiermit von der Möglichkeit der ordentlichen Kündigung ausgehen. Da jedoch das Arbeitsverhältnis aufgrund der befristeten gesellschaftsrechtlichen Bestellung laut ungarischer Rechtsprechung unabhängig vom unbefristeten Arbeitsvertrag auch als befristet zu werten ist, haben Sie als Arbeitgeber letztendlich durch Ausspruch der ordentlichen Kündigung dem Geschäftsführer rechtswidrig gekündigt und müssen unter Umständen mit einer Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers rechnen.
Munkajogportál: Wie gehe ich als Arbeitgeber also richtig vor?
Dr. Mark Goda: Ganz einfach. Soll die Bestellung des Geschäftsführers auf eine befristete Dauer erfolgen, achten Sie als Arbeitgeber darauf, dass das Arbeitsverhältnis und somit auch der Arbeitsvertrag ebenfalls für die Dauer der gesellschaftsrechtlichen Bestellung befristet werden. Möchten sich beide Parteien indes auf die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses einigen, sollte die gesellschaftsrechtliche Bestellung ebenfalls auf unbefristete Dauer erfolgen.
Munkajogportál: Herr Dr. Goda, wir danken Ihnen für das Gespräch.