Finanzkrise – Zeit der Massenentlassungen?

In Anbetracht der weltweit herrschenden Finanzkrise, die auch Ungarn längst erfasst hat, wurden bereits mehrere zehntausend Arbeitnehmer entlassen.

Der Stellenabbau hat sich vor allem auf die Bau- und Autobranche erstreckt. Für Unternehmen in Ungarn, die aufgrund der Finanzkrise gezwungen waren, bzw. sogar noch gezwungen sind mehreren Arbeitnehmern zu kündigen, stellen sich diesbezüglich gleich mehrere Fragen: Ab wie vielen Arbeitnehmern liegt eine Massenentlassung vor? Gibt es gesonderte rechtliche Bestimmungen, die bei einer Massenentlassung zu beachten und einzuhalten sind? Besteht eine Mitteilungs-, Anzeige- und Konsultationspflicht? Welche Fristen sind einzuhalten? Was passiert, wenn gesetzliche Regelungen nicht eingehalten werden?

Eine Massenentlassung liegt nach ungarischem Recht vor, wenn in Betrieben mit 21 bis 99 Arbeitnehmern mindestens 10 Arbeitnehmer, bei 100 bis 299 Arbeitnehmern mindestens 10% der Beschäftigten, bei 300 und mehr Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen betriebsbedingt entlassen werden. Hat ein Unternehmen mehrere Niederlassungen, müssen spezielle Regelungen bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl beachtet werden.
 
Bevor jedoch das Unternehmen die endgültige Entscheidung fällt, Massenentlassungen vorzunehmen, ist der Arbeitgeber verpflichtet Konsultationen mit den Arbeitnehmervertretern einzuleiten, welche bis zur endgültigen Entscheidung andauern. Hierdurch erhalten die Arbeitnehmervertreter die Möglichkeit Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen eventuell vermieden oder deren Zahl zumindest beschränkt sowie ihre Folgen gemildert werden können. Ein Veto-Recht haben Arbeitnehmervertreter nicht.
 
Mindestens 7 Tage vor Beginn der Konsultationen muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertreter und das zuständige Arbeitsamt schriftlich über die Gründe der Massenentlassung, die anvisierte Arbeitnehmerzahl und die Gesamtzahl der Beschäftigten informieren. Im Laufe der Konsultationen erstreckt sich die Mitteilungs- und Anzeigepflicht auf die Auswahlkriterien und den Zeitraum, in dem die Kündigungen ausgesprochen werden sollen.
 
Entscheidet sich der Arbeitgeber nach Ablauf der Fristen trotz aller Konsultationen letztendlich für die Durchführung einer Massenentlassung, sind die betroffenen Arbeitnehmer, die Arbeitnehmervertreter und das zuständige Arbeitsamt über die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer und den Zeitraum der Massenentlassung mindestens 30 Tage vor Ausspruch der Kündigungen schriftlich zu informieren. Verstößt der Arbeitgeber gegen die Mitteilungs- und Anzeigepflicht, sind die Kündigungen unwirksam. Ein weiterer sehr wichtiger Aspekt vor Ausspruch der Kündigungen ist die Prüfung eines eventuell bestehenden Kündigungsschutzes. Steht nämlich ein betroffener Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Mitteilung bereits unter Kündigungsschutz, darf die Kündigung erst nach Ablauf des Kündigungsschutzes ausgesprochen werden.
 
Die Entscheidung für die Durchführung einer Massenentlassung schließt selbstverständlich die Wahrnehmung sozialer Verantwortung nicht aus. Arbeitgeber haben durchaus die Möglichkeit im Laufe der Konsultationen mit den Arbeitnehmervertretern Vereinbarungen zu treffen, deren Ziel die Milderung der Folgen der Kündigungen ist. So können z.B. über das gesetzliche Minimum hinausreichende Zuwendungen vereinbart werden.

 

Dr. Mark Goda
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht (H)
Goda Legal – Ihr Ansprechpartner für Arbeitsrecht in Ungarn